Seit es Musik gibt, wird kopiert – und zwar in allen Genres. Davon zeugen aufsehenerregende Gerichtsurteile. So mussten zum Beispiel Robin Thicke und Pharrell Williams 2015 den Nachkommen von Marvin Gaye 7,4 Millionen US-Dollar bezahlen.
Das Gericht entschied, dass der Song “Blurred Lines” ein Plagiat von “Got to give it up” ist.
Unklare Gesetzes-lage
Chantal Bolzern, eine Anwältin für Urheberrecht, sagt, dass in diesem Fall vielleicht ein anderes Gericht anders entschieden hätte. Denn es gibt keine fixen Beurteilungskriterien, etwa eine bestimmte Anzahl an Noten.
Bolzern erklärt, dass Musik und Rechtswissenschaft keine exakten Wissenschaften sind. Weil die Richter oft nicht in der Musik bewandert sind, werden Fachpersonen hinzugezogen um vorab ein Gutachten zu erstellen. Auf diese Berichte stützt sich das Gericht für seinen Entscheid dann ab.
Die Klagen
Die Urheberrechtsklagen sind in den letzten Jahren in UK und USA stark gestiegen. Das könnte daran liegen, dass man durch solche Urheberrechts-Durchsetzungen viel Geld erhalten kann, oder aber daher einfach aus ideellen Gründen die Urheberrechte, ähnlich einem Patent, durchzusetzen.
Der britische Sänger und Songwriter Ed Sheeran hat am 3. Mai 2023 einen Urheberrechtsstreit vor dem Londoner High Court gewonnen. Der Richter entschied, dass Sheeran weder absichtlich noch unterbewusst eine Zeile des Songs “Oh Why” von Sami Chokri abgeschrieben hat. Obwohl der Richter Ähnlichkeiten sah, gab es auch erhebliche Unterschiede in der betreffenden Passage. Inspiriert wurde Sheeran dabei nicht vom Lied der Kläger.
Der 31 Jahre alte britische Superstar hatte während des Prozesses selbst ausgesagt und sogar im Zeugenstand gesungen. Um zu verdeutlichen, wie verbreitet die fragliche Tonfolge von «Shape Of You» sei, sang und summte er unter anderem Nina Simones Klassiker «Feeling Good» und den 90er-Jahre-R&B-Hit «No Diggity» der Band Blackstreet. Er überzeugte damit sowohl das Publikum als auch die Jury.
In der Schweiz ist der Markt für Versicherungen, die einen im Falle einer Klage finanziell unterstützen, zu klein, sagte Bolzern. Deshalb wird man sich in rund 90% der Fälle aussergerichtlich einigen.
Kunstfreiheit???
Seit 1997 streiten sich Kraftwerk und Moses Pelham vor Gericht, weil Pelham im Song “Nur mir” zwei Sekunden aus Kraftwerks “Metall auf Metall” verwendet hat. Obwohl Pelham schon lange zugegeben hat, dass er sich bei Kraftwerk bedient hat, können die beiden Parteien einfach nicht zu einer Einigung kommen.
Der Streit habe zwei unterschiedliche Haltungen hervorgerufen, wie mit Musik umgegangen werden darf. Einige pochen auf die Rechte des Urhebers und andere sehen kreative Freiheit als notwendig an, so Chantal Bolzern.
Ein Schlupfloch
Die Interpolation ist momentan vor allem in den USA ein grosses Thema. Bei diesem Verfahren werden Teile aus anderen Songs neu aufgenommen und mit dem eigenen Song verwoben. Jedoch gibt es nun Fälle, in welchen die Interpolation und das Original so ähnlich klingen, dass man sie gar nicht mehr unterscheiden kann. Die Interpolation bietet somit ein potentielles Schlupfloch für Künstler, da sie keine Samples verwenden müsen.
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